Die älteste Insektenplage der Erdgeschichte
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Forscher haben an Pflanzenfossilien die ältesten Fraßgänge von Insektenlarven im Inneren von Blättern, auch Blattminen genannt, mit dazugehörigen Eiablagen entdeckt

Miniergänge der Rosskastanienminiermotte: Blattminen werden heutzutage ausschließlich von Insekten wie Käfern, Zweiflüglern, Wespen und Schmetterlingen erzeugt, die eine vollständige Umwandlung (Metamorphose) durchlaufen.
(Foto: Imago/Zoonar)
Von Markus Brauer
Ob Landwirt, Gärtner oder Spaziergänger: Jedem sind wahrscheinlich schon einmal die verschlungenen Fraßgänge von Insektenlarven im Inneren von Blättern aufgefallen, die auch als Blattminen bekannt sind.
Ein Leben inmitten pflanzlichen Gewebes hat viele Vorteile: Gut geschützt vor Feinden, Austrocknung und störenden Umwelteinflüssen steht den Larven wie der „Made im Speck“ ein fast unerschöpflicher Nahrungsvorrat zur Verfügung.
Anpasungsfähige Insekten
Blattminen werden heutzutage ausschließlich von Insekten wie Käfern, Zweiflüglern, Wespen und Schmetterlingen erzeugt, die eine vollständige Umwandlung (Metamorphose) durchlaufen. Sie sind sehr anpassungsfähig und entwickelten im Laufe der Evolution schlanke, madenartige Larven ohne Körperanhänge, die optimal an ein Leben im Inneren pflanzlicher Gewebe angepasst sind.
Bislang war unklar, wann diese Erfolgsstrategie bei den Insekten entstand. Die bisher ältesten sicheren Nachweise von Blattminen stammten aus der Trias, dem frühen Erdmittelalter vor etwa 250 bis 200 Millionen Jahren.
Paläobotanische Sammlungen
Ein Team von Forschern der Naturkundemuseen Chemnitz, Berlin, Münster und Osnabrück, der TU Bergakademie Freiberg und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg konnte nun mit Hilfe modernster Untersuchungsmethoden nachweisen, dass es Blattminen schon mehr als 40 Millionen Jahre früher gab als bislang angenommen.
Die Studie ist im Fachjournal „Science reports“ erschienen.
Dafür standen den Forschern die paläobotanischen Sammlungen der Naturkundemuseen Berlin, Schleusingen und der Bergakademie Freiberg zur Verfügung, die sich als wahre Schatzkammern für die Wissenschaft erwiesen.
In diesen Sammlungen befanden sich zahlreiche außergewöhnlich gut erhaltene Exemplare der fraglichen Fraßspuren an Blättchen des Farnsamers Autunia conferta – eine ausgestorbene Pflanzengruppe der Samenfarne –, die aus circa 295 Millionen Jahre alten Ablagerungen des ehemaligen Steinkohlenreviers in Crock in Thüringen stammen.
Reste von Insekteneiern
Die perfekt erhaltenen pflanzlichen Fossilien aus dem Erdzeitalter des Perms ließen zweifelsfrei den Schluss zu, dass Insektenlarven die Fraßgänge geschützt im Inneren der Blätter erzeugten. Darüber hinaus gelang es, die zu den Fraßgängen gehörenden Eiablagen zu identifizieren, die in einigen Fällen sogar noch Reste von Insekteneiern enthielten.
„Spektakulär ist die Häufigkeit dieser Fossilien: insgesamt waren mehr als 80 Prozent aller fossilen Autunia-Pflanzen aus Crock einem Befall mit Blattminen ausgesetzt, was zu Recht als älteste Insektenplage der Erdgeschichte bezeichnet werden kann“, erklärt Ludwig Luthardt, Paläobotaniker am Museum für Naturkunde Berlin.
Warum genau die Autunia-Pflanzen der Lokalität Crock massenhaft befallen worden seien, bliebe weitgehend rätselhaft. „Jedoch trat das Phänomen zu einer Zeit globalen Wandels auf, in dessen Zuge die tropischen Landökosysteme schrittweise trockener wurden. Das zeigt, wie wichtig ein Blick in die Vergangenheit in Zeiten des aktuellen globalen Klimawandels ist.“