Wie Außenminister Wadephul die neue Wirtschaftsmacht Indien umwirbt

Politik

Außenminister Johann Wadephul hat Indien besucht. Das Land ist eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften – und balanciert nun zwischen den großen Mächten dieser Welt.

Außenminister Wadephul reiste erst nach Bangalore, dann nach Neu-Delhi.

Außenminister Wadephul reiste erst nach Bangalore, dann nach Neu-Delhi.

(Foto: Soeren Stache/dpa)

Von Rebekka Wiese

Sechs Blumensträuße liegen vor dem deutschen Außenminister, als er am Mittwoch im Außenministerium in Neu-Delhi vor die Presse tritt. Neben Johann Wadephul (CDU) sitzt ein Mann, den er nur als „Jai“ anspricht. Es ist sein indischer Amtskollege Subrahmanyam Jaishankar, ein Mann mit silbergrauem Haar. Die Ansprache, die Wadephul hier nutzt, verwendet man in Indien sonst unter Freunden. Auch Jaishankar bezeichnet Wadephul als einen „Freund“.

Und das, obwohl es erst wenige Tage her ist, dass sich der der indische Premierminister Narendra Modi beim Treffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) in China Hand in Hand mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zeigte. Doch als Wadephul in Neu-Delhi nach Russland gefragt wird, gibt er sich gelassen.

Der Minister streitet zwar nicht ab, dass es da verschiedene Positionen gebe. „Das ist aber überhaupt nicht schlimm, weil wir ja in allen anderen Bereichen eine große Übereinstimmung haben“, sagt er. Dann muss er schnell weiter. Er ist selbst noch mit Modi verabredet. Sie werden sich später knapp 30 Minuten lang unterhalten. Für zwei Tage war der deutsche Außenminister Johann Wadephul in dieser Woche in Indien. Sein Ziel: die Beziehungen zu dem Land zu stärken – besonders mit Blick auf die Wirtschaft. Trotz des freundlichen Auftritts mit dem indischen Außenminister darf man sich Wadephuls Mission nicht gerade leicht vorstellen. Deutschland ist für Indien nur ein Partner von vielen.

Wadephul: „Partnerschaft suchen, um Anschluss zu halten“

Die multipolare Weltordnung, die Deutschland oft so herausfordernd erscheint, kommt Indien zugute. Es balanciert zwischen den großen Weltmächten – und es ist ein Land auf dem Weg nach oben. In diesem Jahr löst es Japan als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt ab. „Deutschland muss diese Partnerschaft suchen, um Anschluss zu halten“, sagt Wadephul während seines Besuchs. Es ist eine Freundschaft, in der Deutschland sich bemühen muss, auf Augenhöhe zu bleiben.

In Bangalore, dem ersten Stopp auf Wadephuls Reise, schlängeln sich Rikschas zwischen Autos hindurch, Traktoren drängeln sich an Bussen vorbei, auf einem Moped drückt sich eine Frau dicht an den Fahrer vor sich – zwischen den beiden Körpern ragt der Kopf eines kleinen Kindes hervor. Es ist Dienstagmittag, die lange Kolonne aus Fahrzeugen, in der die Delegation des Außenministers unterwegs ist, kommt immer wieder ins Stocken.

Außenminister besucht Mercedes-Benz in Bangalore

Etwas abgelegen von den großen Straßen steht ein hohes Gebäude mit Glasfassade, davor wartet schon eine Traube von Menschen, drinnen: steinerner Fußboden und leere Loungesessel. Fast klinisch sauber ist es hier. Der wuselige Straßenverkehr von Bangalore wirkt plötzlich ganz weit weg. Es ist ein Firmengebäude des Autokonzerns Mercedes-Benz, der hier einen Standort für seine Entwicklung hat. Als Wadephul vorfährt, erwartet ihn schon eine Traube von Menschen. Der Geschäftsführer streckt ihm die Hand entgegen, der Christdemokrat schüttelt sie lange, klopft ihm auf die Schulter, als seien die beiden alte Bekannte. Drinnen läuft Wadephul über einen dicken Teppich, auf dem das Firmenlogo prangt. Aus dem hohen Gebäude in Bangalore kommt die Software, die man inzwischen in jedem Wagen finden kann. Später an diesem Tag wird Wadephul sagen: „In Indien wird nämlich Zukunft gemacht.“

Deutschland hofft auf Freihandelsabkommen

Über 2000 deutsche Firmen haben Sitze in Indien. In Deutschland hofft man, dass sich Indien und die EU noch im Herbst auf ein Freihandelsabkommen einigen könnten, über das inzwischen seit bald 20 Jahren verhandelt wird. Nun heißt es, dass es bis Ende des Jahres stehen könnte. Für Deutschland wäre das eine gute Nachricht. Immerhin will man sich weniger von China abhängig machen. Und braucht dafür neue Märkte.

Bisher liegt das deutsch-indische Handelsvolumen bei etwas mehr als 33 Milliarden Dollar – das ist weniger als etwa mit Rumänien. In Neu-Delhi sagt Wadephul, dass er davon ausgeht, dass sich diese Summe demnächst verdoppeln könnte. Was dabei womöglich hilft: Auch Indien sucht neue Partner. Die USA haben erst vor Kurzem 50-prozentige Zölle auf Warenexporte aus Indien verhängt. Das hat das Land hart getroffen.

Der Verkehr in Neu-Delhi läuft ruhiger als in Bangalore, die Straßen sind breiter und nicht so voll. Hin und wieder sieht man ein paar Kühe auf der Straße. Es ist der zweite Tag auf Wadephuls Reise. Er ist für politische Gespräche in der Stadt. Aber vorher hat er noch einen anderen Termin. Er ist zum Hockeyspielen verabredet, hinter dem großen roten Backsteingebäude einer Privatschule mit großen Bäumen vor den Fenstern.

Auf einem Sportfeld stehen rund 30 Jugendliche in Trikots, in ihren Händen halten sie Hockeyschläger. Auf dem grünen Kunstrasen ist ein langer roter Teppich ausgerollt. Die Schüler mit den Hockeyschlägern wissen gar nicht so genau, wer sie heute besuchen kommt, als sie gefragt werden. Ein wichtiger Politiker aus Deutschland eben. Und nein, sagt ein Mädchen mit langen schwarzen Haaren, sie würden ihren Gast nicht einfach gewinnen lassen. Sie lacht. Ohnehin ist es natürlich eher ein freundschaftliches Spiel, zu dem sich Johann Wadephul in Neu-Delhi verabredet hat – und wohl noch eher ein Training.

Die Russland-Frage: Modi zeigt sich Hand in Hand mit Putin

Doch Indien hat eben auch andere Freunde. Am Wochenende, bevor Wadephul anreiste, war Indiens Premierminister Narendra Modi in China beim Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit. Dort erklärte Modi, dass sein Land nach einer langen Phase der Distanz wieder enger mit China zusammenarbeiten wolle. Und während Wadephul im Flugzeug nach Bangalore saß, zeigte sich Modi am Montag mit Putin. Die beiden hielten sich nicht nur an den Händen, man konnte sie auch zusammen lachen sehen. Auf einer Autofahrt sollen sie sich 45 Minuten zu zweit unterhalten haben.Man kann Wadephuls Pressekonferenz mit dem indischen Außenminister und dessen freundliche Worte deshalb als Erfolg sehen. Deutschland ist nicht abgehängt. Das Interesse an einer Partnerschaft scheint beidseitig zu sein – trotz Modis Händchenhaltens mit Putins. Für den Herbst soll auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) eine Reise nach Indien geplant haben.

Wadephul: „Das ist schwieriger, als man denkt“

Als Wadephul auf dem Sportfeld ankommt, legt er das Sakko ab und krempelt die Ärmel seines weißen Hemdes hoch. Dann bekommt er einen Schläger in die Hand gedrückt, schubst den kleinen Ball vor sich erstmal vorsichtig über das Feld.

„Das ist schwieriger, als man denkt“, sagt er. Kurze Zeit später steht er vor dem Tor. Der Ball kullert auf den Torwart zu, der seinen Fuß davor schiebt. Das macht aber vielleicht auch nichts. Später auf der Pressekonferenz wird er sagen: „Deutschland und Indien spielen in einer Mannschaft.“