Über 46.000 Fälle von Gewalt gegen Polizisten
Panorama
Neue Zahlen zu Gewalt gegen Polizei zeigen: Es wird nicht besser. Die Koalition hat sich eine Gesetzesänderung vorgenommen. Es geht auch darum, potenzielle Täter abzuschrecken. Ob das funktioniert?
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) plädiert für härtere Strafen. (Archivbild)
(Foto: Fabian Sommer/dpa)
Von dpa
Berlin - Gewalt gegen Polizeibeamte hat im vergangenen Jahr leicht zugenommen. Wie das Bundesinnenministerium der Deutschen Presse-Agentur unter Berufung auf Daten des Bundeskriminalamts mitteilte, stieg die Zahl der registrierten Gewalttaten gegen Polizistinnen und Polizisten 2024 um 0,3 Prozent auf 46.367 Fälle an.
In rund 87 Prozent der Fälle ging es laut dem Bundeslagebild "Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte" um Widerstandshandlungen oder tätliche Angriffe. Als Gewalt im Sinne der Statistik gelten unter anderem auch Bedrohung, Nötigung und vorsätzliche einfache Körperverletzung.
Kontinuierlicher Anstieg seit 2017
Den Angaben zufolge wurden im vergangenen Jahr bundesweit 106.875 Polizistinnen und Polizisten Opfer einer Gewalttat - 67,2 Prozent mehr als im Jahr 2015. Im Rahmen eines Falls können mehrere Opfer erfasst werden. "Die Zahlen verdeutlichen eine anhaltend hohe Belastung für die Polizei im Einsatzalltag", bilanziert das Bundesinnenministerium. Laut Ministerium waren etwa fünf von sechs Menschen (83,1 Prozent), die nach mutmaßlichen Gewalttaten gegen Polizisten als Tatverdächtige festgestellt wurden, männlich. Mehr als ein Drittel (34,9 Prozent) der ermittelten Tatverdächtigen besitzt demnach keinen deutschen Pass.
"Gewalt gegen Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte ist längst kein Ausnahmefall mehr, sondern gehört für viele leider zum Alltag", sagt Bundesinnenminister Alexander Dobrindt. Der CSU-Politiker ist überzeugt: "Wenn jedes Jahr Zehntausende Angriffe gezählt werden, dann zeigt das: Respekt und Rücksicht gehen zunehmend verloren."
Dobrindt und Hubig bereiten Reform vor
Einsatzkräfte müssten besser geschützt werden. Es gehe darum, schneller durchzugreifen und klare Konsequenzen zu ziehen, betont der Minister. Gemeinsam mit Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) werde sein Ministerium deshalb ein Gesetz auf den Weg bringen, das "Strafen verschärft, Verfahren beschleunigt und die Sicherheit der Einsatzkräfte im täglichen Dienst spürbar stärkt".
Hubig äußerte sich gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Angriffe auf Polizistinnen und Polizisten sowie auf Rettungs- und Einsatzkräfte haben in den vergangenen Jahren ein erschreckendes Ausmaß angenommen." Gerade in den Silvesternächten sei es immer wieder zu enthemmten und inakzeptablen Übergriffen gekommen. "Dieser Verrohung muss der Rechtsstaat entschieden entgegentreten - auch und gerade mit den Mitteln des Strafrechts. Deshalb wollen wir das Strafrecht nachschärfen."
Strafverschärfung von 2017
Seit 2017 werden Sicherheits- und Rettungskräfte durch neue Straftatbestände geschützt. Mit bis zu fünf Jahren Haft können seither tätliche Angriffe auf Polizisten sowie auf Kräfte von Feuerwehr, Katastrophenschutz und Rettungsdiensten bestraft werden - und zwar unabhängig davon, ob die Gewalt bei einer Festnahme oder einer anderen Vollstreckungshandlung ausgeübt wird. Als besonders schwerer Fall gilt nunmehr, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt.
Reform führte nicht zu Rückgang von Straftaten
Trotz der Strafrechtsreform ist die Zahl der Angriffe auf Einsatzkräfte seit 2017 kontinuierlich gestiegen. Die Ampel-Regierung hatte zwar 2024 erneut eine Reform beschlossen, die den strafrechtlichen Schutz von Polizei, Feuerwehr und Rettungskräften verbessern sollte. Nach dem Auseinanderbrechen der Koalition von SPD, Grünen und FDP wurde der Gesetzentwurf jedoch nicht mehr vom Bundestag verabschiedet.
Mehr Schutz für Kommunalpolitiker?
Jetzt will Schwarz-Rot einen neuen Anlauf nehmen. Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD heißt dazu: "Wir verschärfen den strafrechtlichen Schutz von Einsatz- und Rettungskräften, Polizisten sowie Angehörigen der Gesundheitsberufe und prüfen einen erweiterten Schutz für Kommunalpolitiker sowie für das Allgemeinwohl Tätige." Ein detaillierter Vorschlag dazu wird in Kürze erwartet.
Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagte gegenüber der "Augsburger Allgemeinen" zu den Überlegungen der Bundesregierung: "Zu Silvester werden wir in Deutschland wieder einen neuen Höhepunkt der Gewalt gegen Polizei und Rettungskräfte erleben. Die Verdoppelung der Mindeststrafandrohung bei gewaltsamen Attacken auf Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr von drei auf sechs Monate ist das richtige Signal zur richtigen Zeit."
Aber Wendt hält höhere Strafen nicht für ausreichend. Er fordert auch die Ausstattung der Polizei mit hochauflösenden Kameras, um Täter identifizieren zu können, sowie eine personell und technisch bessere Ausstattung der Staatsanwaltschaften und Gerichte.
Die Statistik zu Gewalt gegen Polizeibeamte zeigt: Mehr als 83 Prozent der Tatverdächtigen sind männlich. (Symbolbild)
(Foto: Julius-Christian Schreiner/TNN/dpa)
In Berlin startete im Juni 2023 die Kampagne "Keine Gewalt gegen Retter". (Symbolbild)
(Foto: Hannes P. Albert/dpa)