In der Türkei bebt wieder die Erde

Panorama

Viele Gebiete in der Türkei sind stark erdbebengefährdet. Nun bebt in der Westtürkei die Erde. Die Region wird immer wieder erschüttert. Vor allem Istanbul wartet vor Furcht auf das sicher kommende Mega-Beben.

Manche Häuser sind beim Beben in Sindirgi in der westtürkischen Provinz Balikesir wie Kartenhäuser eingestürzt.

Manche Häuser sind beim Beben in Sindirgi in der westtürkischen Provinz Balikesir wie Kartenhäuser eingestürzt.

(Foto: Imago/Anadolu Agency)

Von Markus Brauer/dpa

Ein Erdbeben der Stärke 6,1 hat die Westtürkei erschüttert. Nach Angaben der Katastrophenschutzbehörde Afad befand sich das Epizentrum im Bezirk Sindirgi der westtürkischen Provinz Balikesir.

Das Beben habe sich um 22.48 Uhr in einer Tiefe von 5,99 Kilometern ereignet. Die Erschütterungen waren auch in den Millionenmetropolen Istanbul und Izmir zu spüren. Schäden wurden zunächst nicht gemeldet, Einsatzkräfte seien vor Ort, schrieb Innenminister Ali Yerlikaya auf der Plattform X.

🚨BREAKING: Some buildings collapsed and electricity was cut off in the earthquake that occurred in Sındırgı district of Balıkesir, Turkey. pic.twitter.com/0a1VoJE8ka — World Source News (@Worldsource24) October 27, 2025

Die Katastrophenschutzbehörde Afad meldete am Dienstagmorgen (28. Oktober) dann mehrere Beben, darunter eines der Stärke 4,6.

In Sindirgi hatte sich erst im August 2025 ein Erdbeben der Stärke 6,1 ereignet. Ein Mensch kam damals ums Leben.

Zahlreiche tektonische Bruchstellen in der Türkei

In der Türkei befinden sich zahlreiche Verwerfungen – also tektonische Zerreiß- oder Bruchstellen im Gestein. Vor allem die Millionenmetropole Istanbul ist stark erdbebengefährdet. Im April 2025 hatte ein Erdbeben der Stärke 6,2 Istanbul erschüttert.

Am 6. Februar 2023 hatten sich in der südosttürkischen Provinz Hatay verheerende Beben der Stärke 7,7 und 7,6 ereignet. Allein in der Türkei kamen nach Regierungsangaben mehr als 53.000 Menschen ums Leben. Auch im Nachbarland Syrien gab es Tausende Tote.

Geologisch einer der gefährlichsten Orte der Welt

Istanbul liegt am Nordufer des Marmarameers in der Nähe der Nordanatolischen Verwerfung, die zu den aktivsten Erdbebenzonen der Erde gehört.

1999 waren bei einem Erdbeben der Stärke 7,6 am östlichen Stadtrand von Istanbul mehr 17.000 Menschen ums Leben gekommen. Seitdem hat sich die Einwohlzahl Istanbuls fast verdoppelt - auf 16 Millionen Menschen.

Die Region um die türkische Metropole Istanbul ist geologisch einer der gefährlichsten Orte auf diesem Planeten. Die 16 Millionen Einwohner sitzen buchstäblich auf einem seismischen Pulverfass.

Der Grund: Direkt südlich liegt die Nordanatolische Verwerfung. An dieser aktiven Plattengrenze verschieben sich die anatolische und eurasische Erdplatte gegeneinander. Wenn sich die Platten ineinander verhaken, entlädt sich die aufgebaute Spannung in Erdbeben.

Wann könnte die Erde bei Istanbul beben?

Das Zentrum der Verwerfung liegt südlich von Istanbul im östlichen Marmarameer – ein 150 Kilometer langer Abschnitt der Marmara-Hauptverwerfung. Zuletzt war er am 22. Mai 1766 gebrochen. Das Beben mit einer Magnitude von 7,1 Stärke forderte damals mehr als 4000 Todesopfer.

Geologen sind sich einig. Das nächste schwere Beben in Istanbul ist längst überfällig. Aktuelle seismische Analysen bestätigen, dass die Plattengrenze südlich von Istanbul blockiert ist. Dort sind die anatolische und eurasische Erdplatte komplett ineinander verhakt.

Kommt es dort zum Bruch der Verwerfung kommt – nur das Wann, nicht das Ob ist noch offen –, wäre ein Beben von einer Stärke bis 7,4 auf der Richterskala sehr wahrscheinlich.

Messung von Erdbeben

MessungBei der Messung von Erdbeben wird die Stärke der Bodenbewegung angegeben (Magnitude). Weltweit treten jährlich etwa 50 000 Beben der Stärke 3 bis 4 auf. Etwa 800 haben die Stärken 5 oder 6. Ein Großbeben hat den Wert 8.

Stärken Das heftigste bisher auf der Erde gemessene Beben hatte eine Magnitude von 9,5 und ereignete sich 1960 in Chile. Erdbeben können je nach Dauer, Bodenbeschaffenheit und Bauweise in der Region unterschiedliche Auswirkungen haben.

Magnitude Meist gilt:

• Stärke 1-2: nur durch Instrumente nachzuweisen

• Stärke 3: nur in der Nähe des Epizentrums zu spüren

• Stärke 4-5: 30 Kilometer um das Zentrum spürbar, leichte Schäden

• Stärke 6: mäßiges Beben, Tote und schwere Schäden in dicht besiedelten Regionen

• Stärke 7: starkes Beben, oft katastrophale Folgen und Todesopfer

• Stärke 8: Großbeben mit vielen Opfern und schweren Verwüstungen

Richterskala Früher wurde die Erdbebenstärke einheitlich nach der Richterskala bestimmt. Der amerikanische Geophysiker Charles Francis Richter hatte die Skala 1935 speziell für Kalifornien ausgearbeitet. Heute wird sie nur noch eingeschränkt eingesetzt, auch weil das Verfahren nur bei Erschütterungen in der Nähe der Messstationen zuverlässige Werte liefert (Lokalmagnitude).

Mess-Skalen Mittlerweile werden mehrere Skalen parallel verwendet. Derzeit gilt die sogenannte Momentmagnitude als bestes physikalisches Maß für die Stärke eines Bebens. Sie bestimmt das gesamte Spektrum der seismischen Wellen bei Erdstößen. Die meisten Skalen ergeben zumindest bei schwächeren Beben ähnliche Werte wie die Richterskala, erlauben aber eine genauere Differenzierung bei schweren Beben (mit dpa-Agenturmaterial).