Weltpremiere für den Wundersaurier

Stuttgart

Er ist der Posterboy der Schau: Der neu entdeckte Saurier Mirasaura Grauvogeli. Er war der Profiteur einer Klimakatastrophe. Was lernen wir daraus?

Der Star der Ausstellung: der Wundersaurier

Der Star der Ausstellung: der Wundersaurier

(Foto: Lichtgut/Max Kovalenko)

Von Frank Rothfuß

Stuttgart - Die Lava quoll über, die Vulkane spuckten giftige Gase in die Luft. Es wurde heißer und heißer. Schließlich kletterte die Temperatur auf mehr als 35 Grad. Im Durchschnitt wohlgemerkt. Viele Tiere und Pflanzen konnten in diesem Klima nicht mehr leben. Sie starben aus. Es geht um mehr als 80 Prozent allen Lebens auf der Erde. „Im Trias entstand ein völlig neue Welt“, sagt Lars Krogmann, der Chef des Stuttgarter Naturkundemuseums.

Eine Zeit des Sterbens

Dieser Zeit widmen die Forscher im Löwentormuseum die neue Ausstellung „Triassic Life – Aufbruch in die Welt der Saurier“. Eine weitgehend unbeleuchtete Zeit. Die Kreidezeit und das Jura sind die beiden Perioden des Erdmittelalters, die weitaus bekannter sind. Eben weil in diesen Jahrmillionen die riesigen Saurier über die Erde herrschten. Und seither auch dank Filmen wie „Jurassic Parc“ die Fantasie anregen. Und wer hat sich nicht schon mal im Löwentormuseum vor dem T-Rex gegruselt, der die Wand durchbricht.

Doch Größe ist nicht alles. Und so kommt der „unbestrittene Star“ der Ausstellung, wie Krogmann sagt, nicht unscheinbar aber doch possierlich daher, ein Urmel aus dem Elsass. Er ist 247 Millionen Jahre alt. Eine Zahl, die man sich mit unserem Säugetier-Hirn nicht vorstellen kann. Damals war der Mensch noch ein entfernter Gedanke. Vor 2,6 Millionen Jahren hat unsere Gattung den Heimwerker in sich entdeckt, die ersten Werkzeuge benutzt. Vor 300 000 Jahren tauchte der moderne Mensch auf, der Homo Sapiens, unser direkter Vorfahr.

Der Mirasaura Grauvogeli war um einiges früher dran, er lebte am Beginn der Trias in Wäldern. Es war warm und trocken, es gab einen riesigen Kontinent Pangäa. Wüsten und Savannen prägten die Landschaft. Die Welt gehörte den Reptilien, den Sauriern. Was wir aus dieser Zeit wissen, gruben und kämmten Menschen wie der elsässische Naturforscher Louis Grauvogel aus dem Boden. Zwei 247 Millionen Jahre alte Steine hat Grauvogel vor 90 Jahren gefunden und in seiner Sammlung aufbewahrt. In einer Scheune in den Vogesen, gemeinsam mit gut 5300 versteinerten Insekten, Schalentieren, Fischen, Amphibien und Pflanzen.

Detektive am Werk

Grauvogels Tochter Lea arbeitete sich durch die Fossilien, gab die Sammlung schließlich 2019 ans Naturkundemuseum in Stuttgart. Ein Glücksfall. Vor allem für den Herr der Dinos, Rainer Schoch, Chef der Paläontolgie in Stuttgart. Beim Präparieren fielen ihm und seinen Mitarbeitern zwei Steine auf – der gut erhaltene Abdruck eines Reptils und eines Flügels. Oder war es gar kein Flügel? Auftritt Stephan Spiekman. Der Holländer kam über Zürich und London nach Stuttgart, um sich mit Schoch den Steinen zu widmen.

Er fand in jahrelanger Detektivarbeit heraus, wie der Grauvogeli aussieht und dass die Evolution ihm eine „Federalternative“ spendiert hatte, die man so noch nirgends gefunden hatte. Eine Weltsensation, die die Stuttgarter in der Bibel der Forscher publizierten, dem Magazin „Nature“. Mit riesiger Resonanz, nicht nur der Fachwelt. Und Krogmann ist sich sicher, dass der Grauvogeli bald der meistfotografierte Saurier im Museum sein wird.

Das sei ihm gegönnt. Wichtiger noch ist seine Rolle als Zeuge einer Epoche, in der „die Evolution am Rad drehte“, wie Ausstellungskurator Raphael Moreno das nennt. Was zunächst eine unvorstellbare Katastrophe war, ein einziges Sterben, mündete in neues Leben. Die Erde blühte wieder auf. Pflanzen wuchsen, Tiere wagten sich hervor. Im Meer waren fast alle Korallen ausgestorben, eine winzige Schar überlebte und siedelte sich auf neuen Riffen an, die von Schwämmen gebildet worden waren.

Die Pflanzen wuchsen, im Meer und auf dem Land erschienen Fische, Lurche, Echsen und Saurier. Auch die Vorläufer der Säugetiere hatten sich angepasst. Die Ausstellung zeigt in acht Stationen wie sich das Leben im Trias erholt hat, und auch wie Wissenschaftler es entschlüsselt haben, wie sie aus winzigsten Spuren ein Abbild der Vergangenheit bauen können. Uralt sind die Fossilien, zeitgemäß ist der Umgang damit. Reale Wissenschaftler haben digitale Avatare bekommen und zeigen, wie sie einen Saurier rekonstruieren, von der Entdeckung an der Baustelle einer Autobahn bis zum 3D-Modell.

Was heißt das für uns?

So wie beim Grauvogeli. Auf einen Millimeter zusammengequetscht war sein Kopf, daraus konnte man tatsächlich ein Modell bauen vom Star des Trias. Einer Epoche, die zeigt, wie sich die Erde von einer Klimakatastrophe erholt hat? Alles halb so schlimm also, wenn die Welt immer wärmer und wärmer wird wegen unseres Ausstoßes an Kohlendioxid?

Nun, das kommt darauf an, wie man es sieht. Die Erde hat sich auch damals weitergedreht. Ausgestorben sind die Lebewesen. Und sie hatten damals 50000 Jahre Zeit, sich auf den Klimawandel einzustellen. Nicht 100 Jahre. „Der Klimawandel ist jetzt 500-mal schneller als damals“, sagt Raphael Behr. „Aber wir können noch etwas tun“, sagt Krogmann. Auf dass irgendwann mal nicht die längst ausgestorbene Spezies Mensch der Star einer Ausstellung in einem Naturkundemuseum ist.

Triassic Life

Ausstellung Die Sonderschau im Löwentormuseum dauert bis zum 7. Juni 2026. Geöffnet ist sie wie das Museum von Dienstag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr, samstags, sonntags und an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt kostet 12 Euro für Erwachsene, ermäßigt 9 Euro. Wer jünger ist als 18 Jahre, hat freien Eintritt.