Ein Endspiel der großen Emotionen

VfB

Stuttgart Surge trifft im Finale der European League of Football an diesem Sonntag in der MHP-Arena auf die Vienna Vikings. Das ist für alle Akteure im Kader ein spezielles Spiel – besonders aber für die vielen Stuttgarter Jungs im Team, die oft auch noch VfB-Fans sind.

Von Jochen Klingovsky

Stuttgart - Der Begriff „Finale dahoam“ entstand in München. Damals, im Mai 2013, wollte der FC Bayern unbedingt im eigenen Stadion die Champions League gewinnen, was dummerweise misslang. Das Team um Bastian Schweinsteiger und Thomas Müller erreichte zwar das Endspiel, verlor dieses aber ziemlich unglücklich im Elfmeterschießen gegen den FC Chelsea.

Die Footballer von Stuttgart Surge haben deshalb die schwäbische Variante „Finale dahoim“ nach ihrem 27:13-Erfolg am Sonntag in der Vorschlussrunde bei den Munich Ravens flugs auf den Index gesetzt. Wer orientiert sich schon gerne an einem missglückten Beispiel? Vor dem Championship Game am Sonntag (15 Uhr) in der MHP-Arena gegen die Vienna Vikings sprechen folglich alle in der Mannschaft nur noch über ihr letztes großes Saisonziel – und vom „Titel dahoim“.

Ansonsten? Empfinden die Surge-Footballer ähnlich wie vor zwölf Jahren die Fußballer aus München: Die Vorfreude auf das Finale ist immens, die Gefühle spielen verrückt, die Emotionen sind kaum zu bändigen. Vor allem bei den Stuttgarter Jungs.

Erstaunlich viele Spieler im Surge-Kader haben einen engen Bezug zu Stuttgart. Manche sind in der Stadt oder der Region geboren und hier aufgewachsen, etliche haben bei den Stuttgart Scorpions mit ihrem Sport begonnen, auch die Zahl der VfB-Fans ist groß. Insgesamt hat rund ein Viertel aller Footballer bei Surge Stuttgarter Wurzeln. Mike Harley jr. gehört nicht dazu. Und trotzdem fühlt er, was in seinen schwäbischen Kollegen vorgeht. „Dieses Finale bedeutet ihnen sehr, sehr viel“, sagt der Wide Receiver aus Miami/Florida, „deshalb werde auch ich alles opfern, um den Titel nach Hause zu bringen.“

Alles geben, sich zerreißen, voll fokussiert sein: an Motivation wird es Stuttgart Surge an diesem Sonntag ganz gewiss nicht fehlen. Weshalb Coach Jordan Neuman sagt: „Wir müssen es schaffen, unsere Emotionen zu kontrollieren.“ Was vor allem für die Jungs, die ein echtes Heimspiel haben, eine schwierige Aufgabe werden wird. Mit fünf von ihnen haben wir gesprochen.

Ben Wenzler (25/Defensive Back): „Es ist riesig, das ELF-Finale in Stuttgart zu spielen. Es bedeutet mir viel, den Traum verwirklichen zu können, einmal in diesem Stadion auf dem Rasen zu stehen. Meine komplette Familie wird im Stadion sein, nicht nur meine Eltern, sondern auch Oma, Tanten, Onkel, Cousins – einfach jeder. Und auch alle meine Bekannten, Freunde und Kumpels kommen: Ich habe versucht, das Stadion mit meinen Leuten so voll wie möglich zu bekommen.“

Konstantin Katz (30/Defensive Back): „Das Finale in der Heimatstadt zu haben und dann noch in diesem Stadion, ist unglaublich. Ich werde es erst begreifen, wenn ich dort auf dem Rasen stehe. Es wird ein mega Gefühl sein, in die Arena einzulaufen. Das habe ich schon einmal getan: 2002, mit sieben Jahren, war dort das Ziel des Stuttgart-Laufs. Danach haben wir im Stadion das WM-Finale zwischen Brasilien und Deutschland geschaut. Es wird eine tolle Erfahrung, durch die Katakomben und den Spielertunnel zu laufen, das kenne ich bisher nur von einer Stadionführung.“

Nick Wenzelburger (25/Defensive Back): „Ein Traum wird wahr. Dieses Stadion hat eine wahnsinnige Bedeutung für jeden Stuttgarter, denn jeder kennt den VfB, seit er geboren ist. Ich hoffe auf 40 000 Leute – wenn dann das Stadion bebt, wird es einmalig. Ich war schon so oft bei VfB-Spielen, hoffentlich wird bei uns die Stimmung ähnlich sein. Ich bringe einen riesen Fanclub mit. Meine Vorfreude darauf, vor diesem Publikum alles zu geben und den Pokal zu holen, ist enorm. Ich kann es kaum erwarten.“

Timo Bronn (26/Kicker): „Es bedeutet mir alles, das Finale in meiner Stadt und in dem Stadion zu spielen, in dem ich schon so oft bei VfB-Spielen war. Das ist einfach verrückt. Gefühlt werden meine Familie und meine Freunde einen halben Block im Stadion besetzen – es ist ein tolles Gefühl, eine so große Unterstützung zu bekommen.“

Louis Geyer (24/Wide Receiver): „Das Finale in Stuttgart spielen zu können, ist für mich etwas unglaublich Großes. Ich war schon als kleiner Junge mit dem VfB-Trikot im Stadion und habe damals zu meiner Mutter gesagt: Pass auf, ich spiele da irgendwann Fußball drin. Und jetzt, als Footballer, schließt sich der Kreis. Vielleicht kommen 40 000 Zuschauer – es wird ein unfassbares Erlebnis. Meine Familie wird im Stadion sein, dazu die Hälfte meiner Kontaktliste. Nachdem feststand, dass wir tatsächlich das Finale erreicht haben, wurden noch sehr viele Tickets gekauft.“

Obwohl sein Team noch nie in der MHP-Arena gespielt hat, gibt es aus Sicht von Jordan Neuman doch einen Heimvorteil. „Wir müssen nicht reisen, und viele Fans werden hinter uns stehen“, sagt der Coach, der den großen Wunsch hat, „am Ende der Meister des europäischen Footballs zu sein“. Oder anders ausgedrückt: Nun fehlt Stuttgart Surge nur noch eines – der „Titel dahoim“.