Diplomatie statt Abschiebungen

Stuttgart

Migrationsabkommen spielen in der Asylpolitik kaum eine Rolle. Dabei könnten sie viel bewegen.

Bei Migrationsabkommen geht es um Abschiebungen – aber eben auch um legale Migrationsrouten.

Bei Migrationsabkommen geht es um Abschiebungen – aber eben auch um legale Migrationsrouten.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Von Rebekka Wiese

Berlin - Erinnert sich noch jemand an Joachim Stamp? Die Ampelregierung hatte den FDP-Politiker zu ihrem Sonderbevollmächtigten für Migrationsabkommen gemacht. Er sollte mit anderen Staaten Vereinbarungen zur Migration treffen. Es ging um umfangreiche Abkommen, um Zuwanderung besser zu steuern: weniger Asylbewerber, mehr Fach- und Arbeitskräfte.

Viel hörte man danach nicht mehr davon. Stamps Bilanz war durchwachsen, er schloss drei Abkommen und zwei weitere Vereinbarungen ab. Doch die wirkten kaum. Das lag aber nicht an der grundsätzlichen Idee. Es lag an der Halbherzigkeit, mit der die Ampelkoalition versuchte, sie umzusetzen.

Die neue Bundesregierung hat den Ansatz nun praktisch aufgegeben. Auch wenn sie sich im Koalitionsvertrag formal zu ihm bekennt, spielt er für ihre sogenannte Migrationswende keine Rolle. Stamps Amt wurde ersatzlos abgeschafft. Dabei sind die Abkommen ein migrationspolitisches Instrument mit großem Potenzial.

Und auch wenn es nicht zum Konzept der Migrationswende von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) passt, der eher auf schnelle Hauruck-Vorhaben setzt: Die aktuelle Bundesregierung macht einen Fehler, wenn sie die Idee der Migrationsabkommen nun einfach beerdigt.

Der Ansatz könnte erfolgreich sein – wenn man dabei nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholt. Das fängt schon mit der Besetzung des Amtes an. Stamp hatte sich als Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen einen Namen gemacht. Doch um in fernen Ländern über Abkommen zu verhandeln, bräuchte es einen Diplomaten. Beim Innenministerium war die Stelle zudem falsch angesiedelt.

Die Idee der Migrationsabkommen war immer, eine langfristige Partnerschaft mit anderen Staaten aufzubauen, von der beide Seiten profitieren. Das ist mehr als Migrationspolitik, es ist Diplomatie. Das ist der Clou der Migrationsabkommen. Wenn die neue Bundesregierung ihnen eine Chance geben würde, müsste sie die Stelle eher beim Auswärtigen Amt ansiedeln und mit einem Diplomaten und einem größeren Stab besetzen.

Noch mehr Ressourcen? Wen das skeptisch macht, der sollte sich vor Augen halten: Von solchen Abkommen hängt ab, ob Abschiebungen umgesetzt werden können. Nicht selten scheitern Rückführungen daran, dass Asylbewerber keine Papiere haben. Die zuständigen Botschaften brauchen oft lange, um einen Ersatz auszustellen.

Warum sollten sie sich auch beeilen? Eigentlich nur, wenn man ihnen dafür etwas in Aussicht stellt. Doch was die Bundesregierung anderen Ländern anbieten will, damit diese ihre Staatsbürger zurücknehmen, darauf haben weder Kanzler Friedrich Merz (CDU) noch Innenminister Dobrindt (CSU) eine Antwort.

Klassischerweise kann man solchen Staaten ein bestimmtes Kontingent von Visa für Fach- und Arbeitskräfte anbieten. Oder für Saisonarbeitskräfte, die in Deutschland etwa als Erntehelfer gebraucht werden. Gerade für afrikanische Länder, aus denen Menschen eher vor Armut als vor Krieg fliehen, könnte es interessant sein, wenn ihre Staatsbürger für einen begrenzten Zeitraum im Jahr in Deutschland arbeiten könnten. Sie kämen mit mehr Geld in ihr Land zurück als vorher – ohne dafür ihr Leben auf dem Mittelmeer riskieren zu müssen.

Migrationsabkommen sind kein Zaubermittel. Damit Migrationspolitik funktioniert, braucht es ein Zusammenspiel verschiedener Maßnahmen. Und die Abkommen sind eine der vielversprechendsten. Auch wenn sie vielleicht weniger Schlagzeilen als die nun ausgerufene Migrationswende machen.