Wie Marie-Louise von Rogister die digitale Kunst vorwegnahm

Kultur

Spielten Künstlerinnen in der westdeutschen Kunst der 1950er Jahre nur eine Nebenrolle? Mit Marie-Louise von Rogister hält die Galerie Schlichtenmaier dagegen.

Marie-Louise von Rogister, Im Geflecht, 1959

Marie-Louise von Rogister, Im Geflecht, 1959

(Foto: © Marie-Louise von Rogister / VG Bild-Kunst, Bonn)

Von Nikolai B. Forstbauer

1948 gründet sich in Recklinghausen die Gruppe „Junger Westen“. Heute noch klangvolle Namen wie Emil Schumacher, HAP Grieshaber, Hann Trier und Fritz Winter ist auch Marie-Louise von Rogister dabei – mit einer ganz eigenen Bildwelt in einer um die Entformelung der Bildwelt ringenden Zeit. In den Räumen der Galerie Schlichtenmaier im Schloss Dätzingen (Grafenau) ist diese Bildwelt jetzt neu zu entdecken.

In Kooperation mit dem Nachlass der 1899 geborenen und 1991 gestorbenen Künstlerin erarbeitet, rückt die Ausstellung Werke der 1950er und frühen 1960er Jahre in den Blick, zeigt in zwei Zeitsprüngen aber über Bilder von 1970 und von 1990 eine verblüffende Stringenz: Marie-Louise von Rogister nimmt die mit digitalen Mitteln entstehende Malerei unserer Tage vorweg.

Marie-Louise von Rogister nimmt die Malerei mit digitalen Mitteln vorweg

Spätestens mit dem Bild „Im Geflecht“ von 1959, als aus einem aus Verästelungen gebildeten Tiefenraum ein blaues Leuchten hervortritt, fegt die Malerin alles Gebaute der Nachkriegs-Abstraktion hinweg. Fast scheint es, als erfinde sich Marie-Louise von Rogister ein zweites Mal neu, nachdem sie schon mit 20 eine Scheidung hinter sich bringt, in ihrem Zimmer die Tapete herunterreißt, um direkt auf die Wände zu zeichnen und zu malen.

Ebenfalls 1959 entsteht das Bild „Aufbau in Grau“. Also doch wieder ein nachprüfbares, wohl ausgewogenes Konstrukt? Anderes ist wichtig – der Sog, der im Bild entsteht, das gleichzeitige Hervortreten und Zurückspringen. Schlichtenmaier-Mitlenker Günter Baumann bringt das „Andere“ dieser Werke auf den Punkt, wenn er für Marie-Louise von Rogisters Arbeiten von einer „Verflechtung ins Leben“ spricht. Dazu gehört auch, dass die technologischen Sprünge jener Zeit eigene Geflechte provozieren – Bilder, die wie „Im Geflecht, 18. VIII. 59“ aus unserem Bildwissen heraus dem der Logik künstlicher Realitäten folgenden Inneren eines verlassenen Raumschiffes ähneln. In einem Zeitsprung geht es von hier aus hinein in die zuvor verlassene digitale Landschaft. Gerade 24 Zentimeter hoch und 18 Zentimeter breit, schlägt „Horizonte Störung“ von 1970 doch mitten in die aktuellen Debatten um eine von Tim Berresheim angeführte Malerei mit digitalen Mitteln. Marie-Louise von Rogister? Wird mit dieser Ausstellung zurück ins Scheinwerferlicht katapultiert – zu Recht.

Gut zu wissen

Wo?Die Schau zu Marie-Louise von Rogister zeigt die Galerie Schlichtenmaier an ihrem Stammsitz in Grafenau (Schloss Dätzingen).

Wann?Die Ausstellung „Marie-Louise von Rogister – Im Geflecht“ ist bis zum 8. November zu sehen – Mittwoch bis Freitag von 11 bis 18.30 Uhr sowie Samstag von 11 bis 16 Uhr.