Schreiner-Kollektiv kämpft für den Neustart
Knittlingen
Ein nächtliches Feuer hat die Holzwerkstatt von Tobias Dobler, Patrick Streit und Samuel Kraus auf dem Areal der „Störrmühle“ in Knittlingen zerstört. Zweieinhalb Wochen später geben sich die Handwerker vorsichtig zuversichtlich. Firma Heinzelmann gewährt dem Team „Asyl“.
Ein Bild der Zerstörung bietet sich dem Betrachter in diesen Tagen auf dem Gelände der „Störrmühle“. Fotos: Fotomoment, Schüller
Von Silas Schüller
Knittlingen. Es hat etwas gedauert bis zum ersten Pressegespräch nach dem zerstörerischen Feuer, das ihre Holzwerkstatt in Schutt und Asche verwandelt hat. Verständlicherweise. Seit dem Großbrand in der Nacht auf den 22. November ist der Terminkalender von Tobias Dobler, Patrick Streit und Samuel Kraus proppenvoll, weshalb das Schreiner-Trio angesichts der vielen Aufgaben bisher kaum Zeit hatte, innezuhalten und das Erlebte in seiner emotionalen Dimension zu erfassen. „Vielleicht ist das auch gut so“, bemerkt Patrick Streit, „weil so ein Erlebnis einem natürlich den Boden unter den Füßen wegziehen kann.“
Dass dies nicht passiert sei, habe freilich nicht nur mit dem folgenden Stress wegen der Aufarbeitung des Schadens zu tun, sondern auch mit der großen Unterstützung und der breiten Solidarität, die das Team bereits erfahren habe und weiterhin erfahre. „Dass die Nachricht solche Kreise zieht, hätten wir nie für möglich gehalten“, macht Streit deutlich, der sich wie Tobias Dobler ausdrücklich für alle Hilfsangebote, Spenden und positiven Signale bedankt. „Es ist überwältigend, von wo sich überall Menschen bei uns gemeldet haben“, erzählt Tobias Dobler, der nur wenige Meter von der Holzwerkstatt entfernt wohnt und das Inferno aus nächster Nähe erlebt hat. Ebenso wolle er einen großen Dank an die Einsatzkräfte aussprechen, die in der bitterkalten Nacht vor Ort waren und Schlimmeres – wie das Übergreifen der Flammen auf weitere Gebäude des Areals – verhindert hätten.
Spendenaktionen geben zusätzlich
eine finanzielle Rückendeckung.
Ob Freunde und Bekannte aus dem eigenen Umfeld, Privatpersonen und Unternehmen aus nah und fern oder die Stadt Knittlingen in Person von Bürgermeister Alexander Kozel: Die Anteilnahme sprengte das Vorstellungsvermögen der drei langjährigen Kollegen. „Selbst die Schreiner-Innung hat sich gemeldet und für uns eingesetzt, obwohl wir gar kein Mitglied sind“, verrät Streit mit einem Lächeln.

Eine „gute Truppe“, die fest zusammenhält: die Schreiner Patrick Streit (v.li.), Samuel Kraus und Tobias Dobler mit einem Teil des Teams der „Holzwerkstatt Störrmühle“.
Die Stimmung, so wird bei dem Treffen am Esstisch des Wohnhauses deutlich, ist bei den Schreinern trotz des dramatischen Verlustes ihrer Arbeitsstätte keineswegs dauerhaft im Keller. Stattdessen wirken die Beteiligten, so weit das aktuell möglich ist, durchaus zuversichtlich und fast wild entschlossen, ihre elfköpfige Werkstattgemeinschaft durch die aktuelle Phase zu tragen und zusammenzuhalten. Was auch dank der beträchtlichen Spendensumme ermöglicht wird, die in den ersten Wochen bereits zusammengekommen ist.
Eine Aktion via „PayPal“ brachte 20000 Euro, und ein Aufruf auf dem Portal „GoFundMe“, den betroffenen Betrieb zu unterstützen, steht derzeit bei knapp 70000 Euro. „Wir haben dieses Geld noch nicht angefasst“, betont Streit, doch zum Überbrücken der laufenden Kosten, inklusive der Ausbezahlung der Gehälter, werde man es allerdings gebrauchen. Ein weiterer Grund, der die „gute Truppe“ trotz der vielen offenen Fragen, was die Brandursache, den Grad des Versicherungsschutzes und die Zukunft der Angestellten und Lehrlinge betrifft, positiv nach vorne blicken lässt, ist die Tatsache, dass inzwischen eine Übergangslösung für die Werkstatt gefunden ist. „Uns wurden viele Räumlichkeiten angeboten, nur braucht man als Schreiner gewisse Voraussetzungen wie eine Absaugung“, stellt Streit fest und bedankt sich für alle Alternativen.
Nachdem man zusammen einige Möglichkeiten ausgelotet und fünf bis sechs Werkstätten besichtigt habe, sei das Team einen wichtigen Schritt weiter: „Die Firma Heinzelmann aus Mühlacker kommt uns entgegen, dort können wir fürs Erste unterkommen.“ Der Holzbau-Spezialist biete nicht nur die notwendigen räumlichen Voraussetzungen, sondern könne auch das erforderliche Werkzeug und die Maschinen bereitstellen. „Wir haben jetzt mal vereinbart, dass wir da ein paar Wochen schaffen dürfen“, berichtet Streit, doch eventuell könne aus der kurzfristigen auch eine mittelfristige Option werden. Perspektivisch sei es das Ziel, auf dem „Störrmühle“-Gelände neu zu bauen, doch vorerst stehe, auch im Sinne der Kundschaft, die Wiederaufnahme des Betriebs an erster Stelle. Wobei hier gilt: „Alles muss neu.“
Schließlich fehlt den befreundeten Schreinern nicht nur ihre Werkstatt, auch bereits gefertigte Möbelstücke sind vernichtet. Was vor allem dann problematisch ist, wenn es sich um Unikate handelt. Tobias Dobler war etwa an Tischen aus Eichenwurzel und Moor-Eiche am Werk, die für die jeweiligen Auftraggeber einen großen emotionalen Wert gehabt hätten und unwiederbringlich verloren seien. „Das ist tragisch.“
Schock in der Nacht: Wie Tobias Dobler den Brand erlebt:
Am späten Abend des 21. November ist Tobias Dobler mit seiner Frau im Wohnzimmer, als er verdächtige Geräusche von außerhalb hört. Weil es jedoch manchmal lebhaft zugeht, wenn auf dem Gelände der „Störrmühle“ Veranstaltungen im Kulturkeller „Cellarium“ stattfinden, denkt sich der 59-Jährige zunächst nichts dabei. Wenig später, als er die Balkontür öffnet, muss er dann aber feststellen: „Sch ..., da riecht es verbrannt!“ Sofort rennt er aus dem Haus in Richtung der Mühle, um sich einen Überblick zu verschaffen. Als er zum Gebäude der Schreinerei blickt, sieht er die Flammen in der Werkstatt.
Der Schreiner verständigt gegen 23.20 Uhr die Feuerwehr, die nur acht Minuten später eintreffen wird, und holt, ohne lange zu überlegen, den Fahrzeugschlüssel für den Transporter aus dem verrauchten Gebäude. Er fährt ihn weg und kann so zumindest ein „Arbeitsgerät“ retten. Zu diesem Zeitpunkt hofft Dobler noch, dass die Feuerwehr den Brand rechtzeitig löschen kann. Doch der breitet sich rasend schnell aus, und als eines der Fenster durch die Hitze zerspringt, kommen ihm Zweifel. Das Feuer frisst sich sukzessive durch die Räume und sorgt für ein weithin sichtbares Leucht- und Rauchsignal.
Dieses bemerkt auch Patrick Streit, der gegen 23.40 Uhr informiert wird und vom Wohnort Kürnbach aus zur Holzwerkstatt fährt. Die Hoffnung auf ein kleineres Feuer muss er korrigieren, als er auf der Höhe bei Großvillars gen Knittlingen blickt: „Man hat eine Rauchsäule bis in den Himmel gesehen“. Bis Streit schließlich ankommt, hat sich das Feuer so weit ausgebreitet, dass er ahnt: „Hier gibt es nichts mehr zu retten.“
Was jedoch „nur“ für die Werkstatt gilt, denn die Feuerwehr, die bei Eiseskälte über Stunden im Einsatz ist, kann ein Übergreifen der Flammen auf Wohnhaus und Mühle verhindern. sil
An diesem Samstag, 13. Dezember, findet in der „Kreativscheune“ in Kürnbach ab 17 Uhr ein künstlerischer Abend mit Musik und Literatur zugunsten der Holzwerkstatt Störrmühle statt. Außerdem fließt der Erlös einer X-mas-Party mit der Band „Illusion“ am Samstag, 20. Dezember, im Musicpark Live in Maulbronn an das Schreiner-Team. Einlass ist hier um 19 Uhr.
Zwei Szenen aus dem Werbevideo geben einen Eindruck von der Arbeit in der Holzwerkstatt, die beim Großbrand vollständig zerstört wurde. Fotos: Werbevideo Holzwerkstatt Störrmühle/Dennis Winkler