Winfried Kretschmanns letzte Sommertour als Ministerpräsident
Baden-Württemberg
Bei seiner letzten Sommertour als Ministerpräsident besucht Winfried Kretschmann unter anderem das neue Logistikzentrum des Naturheilmittelherstellers Weleda.

Winfried Kretschmann besucht mit Landrat Joachim Bläse (rechts) die Firma Weleda.
(Foto: Eberhard Wein)
Von Eberhard Wein
Gut kann sich Landrat Joachim Bläse (CDU) noch an die Betriebsbesichtigung mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bei einem Autozulieferer im Ostalbkreis erinnern. Zwei, drei Jahre sei das her. Stolz präsentierte der Mittelständler sein neugebautes Logistikzentrum. Kretschmann gab sich beeindruckt: moderne Architektur, effiziente Abläufe. Doch dann zückte der Ministerpräsident eine Broschüre seines Umweltministeriums. Ob er bei der Gestaltung des Außenbereichs auch über Blühstreifen und die Ansiedlung von Wildbienen nachgedacht habe, fragte er den überraschten Unternehmer – und drückte ihm den kleinen Ratgeber in die Hand.
Sollte Kretschmann bei der Betriebsbesichtigung des neuen Logistikzentrums der Firma „Weleda“ am Freitag in Schwäbisch Gmünd im Rahmen seiner Sommertour die entsprechende Broschüre überhaupt dabei gehabt haben, so konnte er sie getrost stecken lassen. Gegenüber der Anthroposophie, der sich die Kosmetik- und Naturheilmittelfirma zugehörig fühlt, hat der Ministerpräsident sonst eher eine differenzierte Haltung. Doch bei seinem Herzensthema, der Erhaltung der Biodiversität, kann sich Kretschmann mit Weleda vollkommen einig fühlen.
Das größte Industriegebiet in Ostwürttemberg
75 000 Quadratmeter Ackerfläche im Industriegebiet Gügling, dem mit 165 Hektar größten in Ostwürttemberg, hat das Unternehmen für sein Logistikzentrum gekauft. 20 Prozent seien überbaut worden. Die vielen Freiflächen habe man biologisch aufgewertet, berichtete die Projektleiterin Daniela Trah. Vorher sei in Monokultur angebaut worden, jetzt gebe es dort Streuobstwiese und Wacholderheide – die typische Flora der Ostalb. Zudem habe man eine Falkenvilla angelegt. Dass dort nun ein Turmfalke und nicht, wie erhofft, ein Wanderfalke genistet hat, ist nur ein kleiner Schönheitsfehler.
Auch mit der für Logistikhallen eher unüblichen Bauweise mit Holz und Lehm ging das Unternehmen neue Wege. Erdwärme und Solarpaneele auf den Dächern und an den Fassaden sollen den Komplex, von dem aus die Ware des Unternehmens in rund 20 bis 25 Lastwagenladungen pro Tag auf ihren Weg in rund 50 Länder geschickt werden, CO2-neutral machen. „Es braucht Pioniere, die so etwas wollen und auch können“, lobte Kretschmann.
90 Millionen Euro muss man sich leisten können
Der Bau habe deutlich mehr gekostet als ein normales Logistikzentrum, sagte die Geschäftsführerin Tina Müller – 90 Millionen Euro. Obwohl Fördergelder flossen, war das viel Geld für Weleda. Allerdings konnte man im vergangenen Jahr trotz eines schwierigen Marktumfelds um acht Prozent wachsen, sagte Müller. Am Standort Schwäbisch Gmünd arbeiten 900 von 2200 Mitarbeitern des Schweizer Unternehmens. 80 sind es gegenwärtig am Logistik-Campus.
Für Ministerpräsident Winfried Kretschmann war der Besuch dort Teil seiner letzten Sommertour als Landesvater. Zum Auftakt hatte er am Donnerstag in Mannheim Deutschlands größte Flusswärmepumpe inspiziert. Zudem stand ein Rundgang durch die Heidelberger Bahnstadt, einem innovativen Stadtteil, auf dem Programm. Im Ostalbkreis besichtigte er neben Weleda auch das Kloster Lorch. Später fuhr er zum Kloster Zwiefalten weiter und wohnte der 100-Jahr-Feier der Stadtmusik Mühlheim an der Donau bei. Nächste Woche schließen sich Besuche bei den Gammertinger Albgemeinden Feldhausen und Harthausen an, die beim Landeswettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ mit einer Goldmedaille ausgezeichnet wurden.
Bei der Landtagswahl im März wird der 77-Jährige nicht mehr antreten. Die Entscheidung steht. Sollte er es sich doch anders noch überlegen, könnte er zur neuesten Weleda-Innovation greifen. Die neuen „Booster Serum Drops“ entwickelten sich zu einem riesigen Erfolg vor allem bei der jungen Zielgruppe, berichtete Müller. „Zwei, drei Tropfen und den Boost erleben“, heißt es in der Werbung. Ob es auch nach 15 Jahren im Amt des Ministerpräsidenten noch wirkt, ist allerdings – wie so oft bei anthroposophischen Produkten – durch Studien nicht belegt.