Stichtag für Einschulung auf 30. September – Palmers Forderung an Kretschmann

Baden-Württemberg

Kinder in Baden-Württemberg sollen wieder früher in die Schule – das fordert Tübingens OB Boris Palmer in einem Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (links) hat sich in einem Brief direkt an Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann gewandt.

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (links) hat sich in einem Brief direkt an Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann gewandt.

(Foto: dpa/Felix Kästle, imago/Chris Emil Janssen)

Von Florian Dürr

Früher einschulen, früher Kita-Plätze freimachen und so die Kommunen finanziell entlasten – so will es der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos). Seine Idee: Den Stichtag für die Einschulung vom 30. Juni wieder auf den 30. September zu verlegen. Dann würden nicht nur jene Kinder in die Schule kommen, die vor dem 30. Juni ihren 6. Geburtstag feiern, sondern all jene, die vor dem 30. September sechs Jahre alt werden. Was bedeuten würde: zu einem früheren Zeitpunkt mehr neue schulpflichtige Kinder – und damit mehr freie Kapazitäten in den Kitas.

Mehrbelastung für die Kita-Beschäftigten in Baden-Württemberg

Denn der Ex-Grüne will die Kitas entlasten. Seit der Stichtagsverlegung auf den 30. Juni habe man in Tübingen einen „Mehrbedarf an Plätzen und Personal im Kindergartenbereich von zehn Prozent“, erklärt Palmer in einem Brief an Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der unserer Zeitung vorliegt.

Bei derzeit 110 000 Beschäftigten in den Kitas im Südwesten gehe es bei dieser Mehrbelastung um eine „relevante Größe“, argumentiert Palmer. „In Tübingen könnten wir den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz vollständig erfüllen, wenn der Stichtag für die Einschulung wieder auf den 30. September rückverlegt würde.“   

Palmer: Profitieren könnten Eltern, die verzweifelt Kita-Platz suchen

Mittlerweile müsse man in den Kitas der Stadt Plätze für 3,7 Jahrgänge anbieten, vor fünf Jahren mit dem alten Stichtag waren es noch 3,3 Jahrgänge, so Palmer. In den Jahren 2020 bis 2022 hatte die Landesregierung den Stichtag schrittweise vom 30. September auf den 30. Juni vorgezogen. Doch jetzt, mit der Rückkehr zu G9 an den Gymnasien, sieht Palmer keinen Grund, die Zeit vom Kindergarten bis in den Arbeitsmarkt weiter zu verlängern: „Später einschulen und länger in die Schule gehen, ist zu viel des Guten.“

Im letzten Absatz seines Briefs schreibt Palmer an den Landesvater, dass es ärgerlich sein mag, „eine Entscheidung nach wenigen Jahren zurückzudrehen“. Aber er appelliere an ihn, diesen „einfachen Entlastungsschritt“ zu gehen. In drei Jahren könnte die Wirkung der Maßnahme dann ganz bei den Kommunen ankommen – sowie bei den vielen Eltern, die verzweifelt nach einem Kitaplatz suchen.

Grün-schwarze Landesregierung lehnt Palmers Vorschlag ab

Zweieinhalb Monate später erhält Palmer die Antwort aus dem Staatsministerium: In Einvernehmen mit dem Kultusministerium könne man den Ausgangspunkt seines Vorschlags gut nachvollziehen, schreibt Jörg Krauss, Staatsminister und Chef der Staatskanzlei. Allerdings sei der prozentuale Anteil der 3- bis 6-jährigen Kinder, die eine Kita oder Kindertagspflege besuchen, seit 2017 von 94,7 Prozent auf 90,5 Prozent (2023) gesunken. „Es ist auch deshalb nicht mit letzter Sicherheit prognostizierbar, ob die erhofften Entlastungseffekte bei Verlegung des Stichtags tatsächlich eintreten würden“, schreibt Krauss.

Zudem sei die Stichtagsverlegung auf den 30. Juni eine „von der Elternschaft angestoßene und von einem breiten überparteilichen Konsens im Landtag getragene Maßnahme“ gewesen, um die „als negativ empfundenen Früheinschulungen“ zu verhindern. Deshalb sehe man – im Gegensatz zu Palmer – auch durch die Einführung von G9 keine neuen Umstände. Die Landesregierung strebe keine „pauschale Rückverlegung“ des Stichtags an.