Sozialstaat stagniert – Gesundheitskosten explodieren
Wirtschaft
Trotz wachsender Belastung für den Staat sind die Sozialausgaben im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung seit Jahren stabil – das zeigt eine neue Studie der Hans-Böckler-Stiftung.

Die Sozialausgaben in Deutschland sind in den vergangenen Jahren im Vergleich mit der wirtschaftlichen Entwicklung nicht gestiegen. (Symbolbild)
(Foto: IMAGO/Guido Schiefer)
Von red/afp
Die Sozialausgaben in Deutschland sind in den vergangenen Jahren einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung zufolge im Vergleich mit der wirtschaftlichen Entwicklung nicht gestiegen. „Gemessen an der gesamtwirtschaftlich relevanten Größe, der Wirtschaftsleistung, sind die Ausgaben in zentralen Bereichen wie Grundsicherung, Rente und Arbeitslosenversicherung sogar unverändert beziehungsweise niedriger als vor 15 oder vor 20 Jahren“, heißt es in der am Mittwoch veröffentlichten Studie der gewerkschaftsnahen Stiftung.
Demnach lag die sogenannte Sozialleistungsquote, also die Höhe der inflationsbereinigten Sozialleistungen im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), im August dieses Jahres bei 31,0 Prozent und damit um 1,1 Prozentpunkte höher als im Vorjahr, aber immer noch „spürbar unter den Ständen von 2020 und 2021“. Die deutsche Wirtschaft ist seit 2022 in einer Rezession, die Wirtschaftsleistung schrumpfte also in den vergangenen Jahren.
Der Studie zufolge gab es zwar - verglichen mit der Wirtschaftsleistung - einen Anstieg der Ausgaben für die Kinder- und Jugendhilfe sowie bei der Pflegeversicherung und der Krankenversicherung. Vor allem bei den Kosten für das Gesundheitssystem liege Deutschland im internationalen Vergleich „sehr weit vorne“. „Alleine die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung sind zwischen 2004 und 2024 von 6,0 auf 7,5 Prozent des BIP gestiegen, hinzu kommen unter anderem die Ausgaben der privaten Krankenversicherungen, der Beihilfe und die Zuzahlungen der privaten Haushalte.“
Die Kosten für die Rentenversicherung und die Arbeitslosenversicherung sind der Analyse zufolge allerdings relativ betrachtet leicht gesunken. So seien etwa die Ausgaben für Bürgergeld, Eingliederungshilfen und Sozialhilfe als Anteil des BIP leicht von 2,8 auf 2,7 Prozent zurückgegangen. Die Ausgaben für die Rentenversicherung - inklusive des Bundeszuschusses - seien relativ zum BIP seit 2004 von 10,4 auf 9,4 Prozent gesunken. Damit macht die Rentenversicherung aber immer noch mit Abstand den größten Kostenblock des Sozialstaates aus.
Böckler-Stiftung fordert realistischere Diskussion über Reformen
„Den Staat und auch die soziale Sicherung effizienter und gerechter machen zu wollen, ist absolut legitim und angebracht. Die aktuelle Sozialstaatsdebatte krankt aber oft an einem Fokus auf Schein- oder sekundären Problemen“, erklärte Sebastian Dullien, der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung. „Wir brauchen mehr realistische Analyse, weniger Alarmismus.“ Die schwarz-rote Bundesregierung will in diesem Herbst die Weichen für Reformen des Sozialstaates stellen. Hintergrund sind Milliarden-Lücken im Bundeshaushalt und in der Sozialversicherung.