Ed Gein: Wer war Adeline Watkins?

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Die Figur der Adeline Watkins sorgt in der neuen Netflix-Staffel über Ed Gein für Diskussionen. Wir erklären, was historisch belegt ist – und was reine Fiktion bleibt.

In der Netflix-Serie wird Adeline Watkins (r.) von Suzanna Son (l.) gespielt.

In der Netflix-Serie wird Adeline Watkins (r.) von Suzanna Son (l.) gespielt.

(Foto: Netflix & IMAGO / United Archives International)

Von Katrin Jokic

Die dritte Staffel der Netflix-Serie „Monster: Die Geschichte von Ed Gein“ schockt mit den grausamen Verbrechen des berüchtigten Leichenschänders. Neben dem Horror sorgt jedoch eine andere Figur für Gesprächsstoff: Adeline Watkins, gespielt von Suzanna Son. In der Serie wird sie als Freundin und mögliche Verlobte des „Schlächters von Plainfield“ inszeniert. Doch wie viel davon ist Realität – und was hat sich Netflix dazugedichtet?

Adeline Watkins in der Serie

In der Netflix-Version ist Adeline Watkins weit mehr als eine flüchtige Bekannte. Sie trifft Ed Gein regelmäßig, geht mit ihm Rollschuh laufen, sitzt mit ihm im Diner und spricht offen über makabre Gedanken. Die Serie zeigt sie als Frau, die seine Abgründe zumindest teilweise versteht – und sogar einen Heiratsantrag auf dem Friedhof erhält. Diese Darstellung lässt Gein nicht als kompletten Einzelgänger erscheinen, sondern als Mann mit einer geheimen Verbündeten. Genau das wirft Fragen auf: Hat es diese Frau wirklich gegeben?

Wer war die echte Adeline Watkins?

Die Figur ist keine reine Netflix-Erfindung – Adeline Watkins hat tatsächlich existiert. Doch die historischen Quellen zeichnen zum Teil ein anderes Bild als die Serie.

  • Das erste Interview (1957): Kurz nach Geins Verhaftung berichtete die Minneapolis Tribune, Watkins habe Gein über 20 Jahre gekannt und habe ihn fast geheiratet. Sie schilderte ihn als „gut, freundlich und liebenswert“ und behauptete, er habe ihr einen Antrag gemacht. Ihre Mutter bestätigte angeblich, Gein sei ein höflicher Mann gewesen, der Adeline stets pünktlich um 22 Uhr nach Hause brachte.
  • Romantische Überhöhung: In diesem Interview sagte Watkins sogar, sie habe Gein geliebt und tue es immer noch. Medien griffen diese Aussagen begierig auf, was zur Legendenbildung beitrug.
  • Der Widerruf: Wenige Wochen später distanzierte sich Watkins von diesem Artikel. In einem Interview mit dem Stevens Point Journal erklärte sie, die angebliche 20-jährige Romanze sei stark übertrieben gewesen. Tatsächlich hätten sie sich nur rund sieben Monate lang 1954 getroffen. Außerdem betonte sie, nie in Geins Haus gewesen zu sein.
  • Geins Schweigen: Ed Gein selbst erwähnte Adeline Watkins nie öffentlich.

In der Netflix-Serie kommen sich Ed Gein (Charlie Hunnam, li.) und Adeline Watkins (Suzanna Son) näher. Bild: Netflix

Warum widersprach Watkins dem Artikel?

Bis heute ist unklar, warum Adeline Watkins dem Artikel widersprach. Mögliche Erklärungen:

  • Sensationspresse: Auch in den 1950er-Jahren waren True-Crime-Geschichten ein Kassenschlager. Es ist denkbar, dass Journalisten ihre Aussagen ausgeschmückt oder aus dem Zusammenhang gerissen haben.
  • Druck durch Öffentlichkeit: Nach Bekanntwerden von Geins Verbrechen stand Watkins plötzlich im Fokus. Ihr Rückzieher könnte auch ein Versuch gewesen sein, Abstand von der Affäre zu gewinnen.

Was wurde aus Adeline Watkins?

Über das weitere Leben von Adeline Watkins ist kaum etwas dokumentiert. Bekannt ist nur, dass sie in Plainfield, Wisconsin, zusammen mit ihrer Mutter lebte. Nach dem Medienrummel Ende der 1950er-Jahre zog sie sich aus der Öffentlichkeit zurück.

Da sie 1907 geboren wurde, gilt als sicher, dass sie heute nicht mehr lebt. Ihr genaues Todesdatum ist nicht gesichert – einige Onlinequellen nennen 1992, eine verlässliche Bestätigung dafür gibt es jedoch nicht. Hinweise auf Nachkommen, einen späteren Ehemann oder einen Wohnortwechsel gibt es nicht.

Netflix und die künstlerische Freiheit

Wie schon bei den früheren „Monster“-Staffeln über Jeffrey Dahmer und die Menendez-Brüder vermischt Netflix Realität mit Fiktion. Während Adeline Watkins selbst lediglich von ein paar Treffen und einem abgelehnten Antrag sprach, macht die Serie daraus eine zentrale Liebesgeschichte.

Besonders überhöht scheint die Darstellung, Watkins habe Gein verstanden, ihm bei seinen Taten geholfen oder gar Verbindungen zu NS-Verbrechern hergestellt. Dafür gibt es keinerlei Belege. Viele ordnen Adeline Watkins daher eher als kurze Bekannte ein – nicht als Komplizin oder Verbündete.