Wie CCS das Klima retten könnte – oder auch nicht

Politik

Am Donnerstag will der Bundestag den Weg für die kommerzielle Speicherung von Kohlendioxid, CCS, freimachen. Wie realistisch sind die Hoffnungen in die Technologie?

Es gibt Streit um die Frage, welche Industriebereiche CCS nutzen sollten – und welche nicht.

Es gibt Streit um die Frage, welche Industriebereiche CCS nutzen sollten – und welche nicht.

(Foto: Christoph Schmidt/dpa)

Von Rebekka Wiese

Nun kommt es doch – obwohl die Proteste riesig waren, als in den 2000er-Jahren untersucht werden sollte, wo und wie man klimaschädliches Kohlendioxid in Deutschland einlagern könnte, statt es in die Luft zu pusten. Damals war die Lage allerdings eine andere: Die Klimakrise war noch nicht so spürbar. Und es waren vor allem Kohleunternehmen, die sich für das sogenannte Carbon Capture and Storage, kurz: CCS, interessierten.

Mehr als fünfzehn Jahre später soll die kommerzielle Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid nun in Deutschland erlaubt werden – wenn auch nicht für Kohlekraftwerke. Denn die meisten Experten sind sich einig: Wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen will, braucht es CCS.

Bundestag verabschiedet neues CCS-Gesetz

Am Donnerstag will der Bundestag den entsprechenden Gesetzentwurf verabschieden. Auch Carbon Capture and Utilization (CCU) wird ermöglicht, also die Nutzung des abgeschiedenen Kohlendioxids. Bisher waren in Deutschland nur Forschungsprojekte zugelassen. Doch das soll sich künftig ändern.

Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass CO2 in unterirdischen Gesteinsschichten unter dem Meer gespeichert werden darf, Schutzgebiete sind ausgenommen. Ob die Speicherung auch auf dem Festland erlaubt ist, dürfen die Bundesländer jeweils für sich entscheiden. Der Entwurf schafft außerdem die Voraussetzungen, damit auch ein Pipeline-Netz für CO2 entstehen kann.

Wird CCS überschätzt?

Auf dem Weg zur Klimaneutralität ist das ein wichtiger Schritt. Und doch muss man sich fragen, wie groß das Potenzial von CCS tatsächlich ist. Wie realistisch sind die Hoffnungen auf die neue Technologie? Und wo wird sie überschätzt?

Was technisch bei CCS passiert, kann man mit einfachen Worten erklären. „Beim CCS trennt man Kohlendioxid ab, damit es gar nicht erst in die Atmosphäre gelangt“, sagt der Geochemiker Klaus Wallmann vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. „Das passiert direkt am Schornstein einer Fabrik.“ Später werde das Kohlendioxid dann eingelagert.

Platz für Milliarden Tonnen CO2 unter der Nordsee?

Vor allem unter der Nordsee könnten Lager entstehen. „Das Speicherpotenzial in der Nordsee ist theoretisch sehr groß, man könnte dort eine bis fünf Milliarden Tonnen CO2 einlagern“, sagt Wallmann. Doch er betont auch, dass es in der praktischen Umsetzung anders aussehe. Denn um die Fläche wird hart konkurriert. „Wo eine Windkraftanlage gebaut werden soll oder wo das Militär übt, dürfte aktuell kein Kohlendioxid gespeichert werden.“

Vor Kurzem erschien eine Studie im Fachmagazin Nature, die ebenfalls davor warnt, das Potenzial von CCS zu überschätzen. Die Wissenschaftler bezogen bei ihren Berechnungen ein, wie viele Speichermöglichkeiten wegfallen, wenn man zum Beispiel die Sicherheit im Untergrund mitdenkt. Unter diesen Bedingungen schätzen sie, dass CCS die mögliche Erderwärmung um 0,7 Grad Celsius reduzieren könnte. Frühere Studien hatten das Potenzial fast zehn Mal so hoch geschätzt. „Das bedeutet, dass wir dieses begrenzte Potenzial sehr umsichtig nutzen müssen“, sagt Elina Brutschin vom International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) in Österreich, die eine der Autorinnen der Studie ist.

Welche Sektoren nicht ohne CCS auskommen

Ähnlich sieht das der Geochemiker Wallmann: „CCS brauchen wir für die schwer vermeidbaren Emissionen in der Industrie.“ Gemeint sind Sektoren, in denen CO2 als Abfallprodukt in stofflicher Form anfällt. Das betrifft vor allem die Zement- und Kalkindustrie, aber auch die Abfallwirtschaft.

Wallmann spricht sich deshalb dafür aus, CCS nur für solche Industriezweige zuzulassen. Der Entwurf, der nun verabschiedet werden soll, ist in diesem Punkt allerdings sehr vage. Den Einsatz von CCS in Kohlekraft- und Heizwerken schließt er aus. Gaskraftwerke erwähnt er nicht. In der Bundesregierung hofft man, dass sich die Technologie dadurch schneller etabliert. „Damit diese Technologie fliegen kann, brauchen wir einen Hochlauf“, sagte der CDU-Abgeordnete Nicklas Kappe bei der ersten Lesung des Entwurfs.

Wichtig für die öffentliche Akzeptanz von CCS

Wallmann hält das für einen Fehler. Er erinnert auch an die Skepsis in der Bevölkerung. „Für die öffentliche Akzeptanz von CCS wäre es deshalb wichtig, dass man es nur für Sektoren anwendet, für die es keine andere Lösung gibt.“

Deutsche Behörden bewerten die Technologie inzwischen als sicher. Wallmann hält die Risiken für real, aber begrenzt. Wenn das Kohlendioxid in der Nordsee austrete, sei das zwar schädlich für das Ökosystem. „Wir wissen aus Tests allerdings, dass der Schaden nur auf einer kleinen Fläche auftritt, wir reden von etwa 50 Quadratmetern.“

Wallmann zweifelt aus anderen Gründen an der deutschen Zukunft von CCS „Die Frage ist, ob sich das Geschäftsmodell in Deutschland lohnt. Ich glaube, das funktioniert nur, wenn die EU an ihren Plänen für den Emissionshandel festhält.“ Zumal andere Länder wie Norwegen, Dänemark oder Großbritannien schon viel weiter seien. „Deutschland hängt beim CCS hinterher“, sagt Wallmann. „Ich gehe nicht davon aus, dass vor dem Jahr 2035 irgendwo in Deutschland Kohlendioxid gespeichert werden kann.“

Nicht zu verwechseln: CCS und Negativemissionen

CO2 aus der AtmosphäreCCS und Negativemissionen sind nicht das Gleiche. „Beim herkömmlichen CCS fängt man Kohlendioxid ab, bevor es in die Luft gelangt“, sagt Daniela Thrän vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. „Bei Negativemissionen geht es darum, CO2, das schon in der Atmosphäre ist, herauszuholen.“

DACCS und BECCSDas geht zum Beispiel durch die Wiedervernässung von Mooren – oder mit technischen Verfahren: Beim Direct Air Carbon Capture and Storage (DACCS) holen Filter das CO2 aus der Luft. „Das verbraucht aber viel Energie – die muss erneuerbar sein, um negative Emissionen zu erreichen“, sagt Thrän. Eine weitere Technik nennt sich Bioenergy with Carbon Capture and Storage (BECCS). „Dafür baut man Pflanzen an“, so Thrän. „Die werden nach ihrer Nutzung als Biomasse verbrannt – dabei fängt man das CO2 ab.“