Doch, es lohnt sich
Stuttgart
Man wagt kaum, Hoffnung in die 30. Klimakonferenz zu setzen. Dabei ist es für Klimaschutz längst nicht zu spät.
Von Eidos Import
Und wenn es schon zu spät ist? Das kann man sich schon mal fragen, wenn sich die Weltgemeinschaft in der kommenden Woche zur UN-Klimakonferenz im brasilianischen Belém trifft. Es ist das 30. Treffen dieser Art – und es wird anders sein als die zuvor. Es geht nicht mehr darum, sich auf große Regelwerke zu einigen. Jetzt müssen alle Staaten nachweisen, wie sie das umgesetzt haben, was bisher vereinbart wurde. Mehr denn je wird es auch um Klimaanpassung gehen. Denn schon jetzt ist die Erde wärmer, als sie es sein sollte.
Vor genau zehn Jahren einigten sich fast alle Staaten dieser Welt mit dem Pariser Klimaabkommen darauf, dass die weltweite Durchschnittstemperatur im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter um möglichst nicht mehr als 1,5 Grad Celsius steigen sollte – eine Marke, die 2024 erstmals gerissen wurde. Und weil der weltweite CO2-Ausstoß weiterhin viel zu hoch ist, halten es Wissenschaftler für fast unmöglich, das 1,5-Grad-Ziel langfristig zu halten. Und jetzt?
Die 1,5 Grad Celsius, um die es hier geht, sind keine Kleinigkeit und keine Phrase. Sie sind eine wissenschaftlich fundierte Zielmarke, von der abhängt, wie heftig die Klimakrise wird. Dass dieser Wert kaum noch zu halten ist, ist eine schlechte Nachricht. Doch das heißt nicht, dass der Kampf gegen den Klimawandel gescheitert ist – oder man ihn aufgeben darf. Das Gegenteil ist der Fall.
Die Klimaziele der EU werden gerade immer wieder angegriffen. Verbrenner-Aus? Emissionshandel? Klimaneutralität? Aus CDU und CSU gibt es Stimmen, die behaupten, dass es auf ein paar Jahre mehr oder weniger nicht ankomme. Doch das ist falsch – besonders, wenn es um Klima-Kipppunkte geht. Das sind die Momente, in denen existenzielle Grundlagen wie der Regenwald oder Teile der Antarktis kollabieren und damit eine verheerende Kettenreaktion auslösen. Wie hoch das Risiko ist, dass solche Szenarien eintreten, hängt – wortwörtlich – von jedem Zehntelgrad ab. Und damit von jedem Jahr mehr oder weniger.
Und trotz allem sehen die aktuellen Projektionen von Klimaforschern nicht so apokalyptisch aus, wie man nun meinen könnte. Sie gehen zwar davon aus, dass die 1,5-Grad-Marke schon bald für viele Jahrzehnte überschritten werden wird. Aber nicht dauerhaft. Laut den Berechnungen ist es möglich, die Erhöhung gegen Ende des Jahrhunderts wieder auf unter 1,5 Grad Celsius zu drücken – und damit auch das Ausmaß der Katastrophen zu hemmen.
Das zu erreichen, wird natürlich nicht einfach. Zumal die Klimapolitik in den vergangenen Jahren einen krassen Rückschlag erlebt hat, nachdem spürbar geworden ist, welche Herausforderungen Klimaschutz mit sich bringt. Für viele Fragen – wirtschaftliche und soziale – müssen Politiker aus allen Lagern und weltweit Lösungen finden.
Zugleich ist die Ausgangslage für Klimaschutz so günstig wie noch nie. Auf der ganzen Welt boomen Klimatechnologien, der Ausbau der erneuerbaren Energien kommt gut voran – trotz des Rückwärtsgangs in den USA. Denn China steht vor einem Wendepunkt. Noch ist die Volksrepublik der größte Klimaverschmutzer, stößt mehr Emissionen aus als die USA, Indien und die EU zusammen. Doch bis 2030 will China seinen Ausstoß senken, bis 2060 dann auch klimaneutral sein. Und kommt dabei schneller voran als ursprünglich zugesagt.
Klimapolitik bleibt mühsam, der Kampf um die Klimaziele ist schwierig. Doch es ist noch nicht zu spät. Die Botschaft, die von der Klimakonferenz in Belém ausgehen muss, kann man deshalb vielleicht mit diesem einen Wort zusammenfassen: doch. Doch, es gibt Hoffnung. Doch, wir machen weiter. Doch, es lohnt sich.